Gemeinsames Engagement für die Ausgestaltung eines nationalen EPR-Systems für Textilien
Die Einführung einer Erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) für Konsumtextilien wird die Branche in den kommenden Jahren vor grundlegende Veränderungen stellen. Als Teil der EU-Abfallrahmenrichtlinie steht die Branche vor der Frage, wie die Systemausgestaltung und Finanzierung, aber auch zentrale Zielsetzungen wie Ressourcenschonung, ökologische Wirksamkeit, praktikable Rücknahmestrukturen und ein funktionierendes Marktumfeld in Deutschland umgesetzt werden können.
Vor diesem Hintergrund haben sich führende Branchenverbände – der Handelsverband Deutschland (HDE), der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. (textil+mode), der BTE Bundesverband des Deutschen Textil-, Schuh- und Lederwareneinzelhandels e. V., der Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie e. V. (BSI), der GermanFashion Modeverband Deutschland e. V. sowie der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. – bevh – entschlossen, gemeinsam an einem Konzept für ein zukünftiges EPR-System zu arbeiten. Dabei sehen sich die betroffenen Branchen in der Verantwortung, die Ausgestaltung dieses Systems aktiv und federführend mitzugestalten.
Besonders wichtig ist den Verbänden, dass der spezifische Charakter der Materialströme im Bereich Textilien und Bekleidung bei der Ausarbeitung des Systems berücksichtigt wird. Textilien unterscheiden sich in ihren Materialeigenschaften, Nutzungsphasen und Rücknahmewegen deutlich von anderen Stoffströmen, wie sie aus bisherigen EPR-Systemen bekannt sind. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines differenzierten, branchenspezifischen Ansatzes.
In sechs Punkten haben die Verbände gemeinsame Positionen formuliert, die für die künftige Ausgestaltung eines nationalen EPR-Systems für Textilien maßgeblich sind und im weiteren Verlauf weiterentwickelt werden sollen:
1. Organisation des Systems
Die Organisation der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) in Deutschland muss aus Sicht der Verbände privatwirtschaftlich, wettbewerblich offen, ökologisch wirksam und zugleich einfach, effizient und bürokratiearm umgesetzt werden. Eine nicht gewinnorientierte und wettbewerbsneutrale Systemstruktur ist dabei anzustreben. Die EU beschreibt im Gesetzesentwurf explizit die Rolle der Hersteller, der EPR-Systembetreiber (PROs), der Registrierungskörperschaft und die der Entsorger. Diese Akteure müssen sich in der nationalen Ausgestaltung ebenfalls widerspiegeln. Bei der Ausarbeitung eines Konzeptes ist es daher notwendig, alle beteiligten und betroffenen Akteure gleichberechtigt einzubinden.
Textile Materialströme gehen mit spezifischen Herausforderungen einher, die die künftige Regelung adäquat berücksichtigen müssen. Dazu ist es sinnvoll, bestehende Systeme daraufhin zu untersuchen, welche Elemente sich auf den Textilbereich übertragen lassen und wo es Anpassungsbedarf gibt. Entscheidend ist, dass die Ausgestaltung nicht nur auf bestehende Strukturen zurückgreift, sondern bewusst Offenheit für innovative Ansätze bewahrt.
Ziel der Struktur eines künftigen EPR-Systems muss es sein, zentrale Abläufe fair und transparent zu gestalten. Dazu gehört die Verteilung klarer Zuständigkeiten. Gleichzeitig muss die effektive Verfolgung von Trittbrettfahrern, auch aus Nicht-EU-Staaten, gewährleistet werden. Über die nationale Implementierung hinaus muss eine europaweite Vereinheitlichung angestrebt werden, um Mehrfachregistrierungen und -lizensierung in einzelnen Mitglied-staaten zu vermeiden und EPR-Systeme insbesondere im Hinblick auf grenzüberschreitenden Warenverkehr zu harmonisieren.
2. Rolle des Gesetzgebers
Vor der Umsetzung in die nationale Gesetzgebung muss ein enger Austausch zwischen Politik und Wirtschaft erfolgen. Alle relevanten Akteure sind in den Dialog einzubeziehen, um praxisgerechte und tragfähige Regelungen zu entwickeln. Besonders die Rolle der betroffenen Herstellerindustrie ist dabei hervorzuheben; eine rein abfallwirtschaftlich geprägte Umsetzung würde den branchenspezifischen Anforderungen nicht gerecht werden. Die Umsetzung durch den Gesetzgeber muss sich auf die Erfüllung von Mindestanforderungen konzentrieren.
Dazu gehören insbesondere die Führung des zentralen Herstellerregisters, die Durchführung von Erfolgskontrollen, die Berichterstattung gegenüber der EU sowie der Vollzug der Regelungen. Diese Aufgaben sind in enger Abstimmung mit der betroffenen Industrie zu regeln, um sowohl Rechtssicherheit als auch Praktikabilität zu gewährleisten. Zudem sollte eine regelmäßige Evaluierung der Regelungen verbindlich festgelegt werden, um eine wirksame Überprüfung, Anpassung und Weiterentwicklung der Vorgaben sicherzustellen.
3. Marktüberwachung
Eine konsequente Marktüberwachung ist unerlässlich, insbesondere gegenüber Marktteilnehmern außerhalb der EU, um eine einheitliche, faire und durchsetzbare Umsetzung zu gewährleisten und Marktverzerrungen zu verhindern. Diese Aufgabe muss von einer zuständigen Stelle auf Basis europäisch einheitlicher Regelungen sichergestellt werden. Für Drittstaaten ist ein System der Bevollmächtigten einzuführen, das wirksam kontrolliert wird, wobei die Industrie eine unterstützende Rolle übernehmen kann.
Ebenso sind wirksame Sanktionsmechanismen notwendig, um die Einhaltung der Vorgaben zu gewährleisten. Diese müssen auch ausländische Händler und elektronische Marktplätze einbeziehen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure sicherzustellen.
4.Umweltziele und Ökomodulation
Als ergänzende Ziel-Voraussetzung zu möglichen Sammelquoten sollte sich der Gesetzgeber für die Einführung ökologischer Produktanforderungen sowie einer europaweit einheitlichen und bürokratiearmen – d. h. praxisnah umsetzbaren und einfach nachweisbaren – Öko-modulation einsetzen. Nur so lässt sich die ökologische Lenkungswirkung eines EPR-Systems tatsächlich entfalten. Zentrale Umweltziele und mögliche Vorgaben zur Ökomodulation müssen verbindlich und europaweit harmonisiert werden, da ansonsten die Gefahr besteht, dass unterschiedliche Entgeltstrukturen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den PROs entstehen. Wettbewerb zwischen den PROs soll ausschließlich über die effiziente Bewirtschaftung der Abfälle erfolgen.
Zudem soll das Grundprinzip der Kreislaufwirtschaft ganzheitlich gedacht werden: Das neue System sollte auf keinen Fall dazu führen, dass Re-Commerce oder Reparatur von Textilien durch die Anwendung des EPR-Systems für Textilien gehemmt oder verhindert werden. Diese Aspekte sollten immer vor einem Recycling oder einer Entsorgung bzw. einer Rückführung in einem flächendeckenden Rücknahmesystem stehen.
5. Verbraucherinformation & -kommunikation
Die Finanzierung möglicher Verbraucherkommunikation muss so geregelt werden, dass eine faire Belastung aller Beteiligten sichergestellt wird. Kampagnen sollen unter Einbezug aller Akteure entwickelt werden. Diese Verantwortung sollte durch flankierende Maßnahmen seitens der Politik und anderer Akteure ergänzt werden. Transparenz bei der Verwendung der Lizenzgebühren für die Verbraucherinformation und -kommunikation ist zwingend erforderlich.
6. Sammlung & Recyclinginfrastruktur
Für den Aufbau eines funktionierenden EPR-Systems ist eine wirtschaftlich tragfähige, zukunftsfähige Sammlung- und Recyclinginfrastruktur entscheidend – nicht nur auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene. Freiwillige Sammlungen durch Hersteller oder den Handel sollten möglich bleiben und müssen in einem EPR-System honoriert werden. Gleichzeitig müssen bestehende, bereits bewährte Strukturen, sofern sie ökonomisch und ökologisch sinnvoll sind, erhalten und weiterentwickelt werden. Voraussetzung hierfür sind einheitliche Compliance- und Transparenzanforderungen für alle Akteure. Eine Bevorzugung einzelner Akteure, z. B. karitativer oder sozialer Sammler, ist zu vermeiden.
Gemeinsame Absichtserklärung
Die Verbände zeigen ein klares gemeinsames Commitment: Die Industrie und der Handel wollen Verantwortung übernehmen und frühzeitig zu einer tragfähigen Lösung beitragen. In einem nächsten Schritt sollen nun auch weitere relevante Akteure, insbesondere aus der Entsorgungs- und Verwertungswirtschaft, aktiv in den Prozess eingebunden werden. Innerhalb des Diskussionsprozesses sollen bestehende Unklarheiten und divergierende Positionen zu einer tragfähigen Lösung zusammengeführt werden.